Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit, Möglichkeiten der Überwindung und die letzte Konsequenz – der Insolvenzantrag
Die Zahlungsunfähigkeit begründet neben der Überschuldung die Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags. Mit dem nachstehenden Beitrag wird die Zahlungsunfähigkeit beschrieben und es werden Strategien zum Umgang mit der Situation dargestellt.
1. Was ist überhaupt Zahlungsunfähigkeit?
Definition der Insolvenzordnung
Die Zahlungsunfähigkeit ist in der Insolvenzordnung („InsO“) definiert (§ 17 Abs. 2 InsO). Demnach ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Bereits die Nichtzahlung gegenüber einem einzigen Gläubiger ist für die Zahlungseinstellung ausreichend, wenn dessen Forderung nicht von unerheblicher Höhe ist (vgl. BGH-Urteil vom 20.11.2001 – IX ZR 48/01).
Definition des Bundesgerichtshofs
Der BGH hat in seinem Urteil vom 24.05.2005 – IX ZR 123/04 – entschieden, dass eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn
- die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt und
- nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig wieder beseitigt werden kann und
- den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls nicht zuzumuten ist.
Abgrenzung zur Zahlungsstockung
Die Zahlungsunfähigkeit ist abzugrenzen von der Zahlungsstockung. Liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor, kann diese Zahlungsunfähigkeit jedoch in einem Zeitraum von drei Wochen wieder beseitigt werden, so liegt lediglich eine Zahlungsstockung vor, welche noch nicht zur Insolvenzantragstellung verpflichtet.
2. Möglichkeiten der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit
Die Zahlungsunfähigkeit ist grundsätzlich anhand eines Liquiditätsstatus zu ermitteln. Welche Inhalte dieser zu berücksichtigen hat, wird nachstehend unter lit. a) erläutert.
Ferner können gewisse Indizien auf das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit hindeuten. Stellt der Schuldner das Vorliegen von Indizien fest, welche auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeuten, sollte vorsorglich ein Liquiditätsstatus aufgestellt werden, um konkret zu prüfen, ob noch eine Zahlungsfähigkeit vorliegt. Ausführungen zu den einzelnen Indizien erfolgen unter lit. b).
Der Liquiditätsstatus
In den Liquiditätsstatus sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren (Aktiva I) und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel (Aktiva II) in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten (Passiva I) und innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (Passiva II).
Der Liquiditätsstatus ist nach seiner Aufstellung fortlaufend zu aktualisieren.
Beispiel:
Indizien, welche auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeuten
Der BGH hat mit Urteil vom 18.07.2013 – IX ZR 143/12 – festgestellt, dass die Zahlungseinstellung auch anhand von Indizien erfolgen kann.
Schon eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise kann eine Indizwirkung für eine Zahlungseinstellung haben. Ebenfalls ist ein Indiz, wenn ein sich immer wieder erneuernder Forderungsrückstand durch den Schuldner vor sich hergeschoben wird. Ferner gibt es noch folgende Indizien (keine abschließende Aufzählung), deren Vorliegen der Schuldner zum Anlass nehmen sollte, genau zu prüfen, ob in seinem Unternehmen noch eine Zahlungsfähigkeit vorliegt:
- Überziehung der eingeräumten Kontokorrentkreditlinie;
- wiederholte Rücklastschriften mangels Deckung;
- wiederholte Mahnungen von Lieferanten;
- Kontopfändungen;
- Mahnungen, Vollstreckungsankündigungen und Pfändungen des Finanzamtes und von Sozialversicherungsträgern;
- offene Arbeitslöhne,
- Rückstände bei existenziellen Lieferanten, Stromanbieter, Telefonanbieter;
- nicht eingehaltene Zahlungszusagen;
- ein sich ständig vergrößernder Zahlungsrückstand.
Ebenfalls sollte regelmäßig die OPOS-Liste geprüft werden, um festzustellen, ob Zahlungsziele mit den Lieferanten eingehalten werden oder ob Verbindlichkeiten bestehen, welche schon über einen längeren Zeitraum fällig sind und noch nicht beglichen wurden. Hier sollte genau geschaut werden, ob es sich um strittige Verbindlichkeiten handelt oder ob eine Begleichung der Verbindlichkeiten aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgt. Auch aus diesem Umstand kann auf eine Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. Stellt der Unternehmer fest, dass Indizien vorliegen, welche auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeuten, sollte er umgehend genau anhand eines Liquiditätsstatus prüfen, ob die Zahlungsfähigkeit noch besteht.
3. Möglichkeiten der Überwindung der Zahlungsunfähigkeit
Ist die Zahlungsunfähigkeit noch nicht zu weit fortgeschritten, besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, die Zahlungsunfähigkeit zu überwinden. Folgende Optionen sollten geprüft werden:
a) Konsequenter Forderungseinzug
So seltsam es klingen mag, in einigen Fällen hilft bereits ein konsequenter Forderungseinzug. Wird der wirtschaftliche Druck zu groß und nimmt der damit verbundene Stress zu, vernachlässigen einige Unternehmen die Rechnungstellung bzw. den konsequenten Forderungseinzug. Zu diesem gehört auch die zeitnahe Versendung der Mahnungen und gegebenenfalls die zwangsweise Eintreibung durch den Gerichtsvollzieher. Die OPOS-Liste sollte genau geprüft werden, wie lange Forderungen bereits offen sind, wie werthaltig diese sind und ob eine Beitreibung erfolgen kann.
b) Forderungsverzicht durch Lieferanten und andere Gläubiger
Es sollte versucht werden, mit Lieferanten und anderen Gläubigern einen Forderungsverzicht zu vereinbaren. Hierbei sollte im Vorfeld genau geprüft werden, ob der Forderungsverzicht ausreicht, die Zahlungsunfähigkeit zu überwinden. Sollte die Zahlungsunfähigkeit nicht überwunden werden können, muss rechtzeitig der Insolvenzantrag gestellt werden, um eine Geschäftsführerhaftung gemäß § 15b InsO zu vermeiden.
c) Stundungsvereinbarungen
Durch Stundungsvereinbarungen wird für den Moment ebenfalls eine Entspannung der finanziellen Situation erreicht. Es ist jedoch zu beachten, dass die Tilgung nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben ist. Stundungsvereinbarungen sollten nur vereinbart werden, wenn zukünftig mit Einnahmen zu rechnen ist, welche die Zahlung ermöglichen. Wartet der Schuldner zum Beispiel auf eine Zahlung eines Kunden, welcher verspätet begleicht oder aus anderen Gründen nicht zum ursprünglichen Fälligkeitszeitpunkt zahlt, ist dieser Anspruch werthaltig und war diese Zahlung für die Begleichung der Rechnung des Lieferanten eingeplant, so ist eine Stundungsvereinbarung ratsam. Befindet sich das Unternehmen jedoch allgemein in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und wird durch die Stundungsvereinbarung das Problem nur verschoben, so kann zwar dadurch für den Moment die Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden, das Vorliegen der Zahlungsfähigkeit sollte in der Folgezeit jedoch engmaschig regelmäßig geprüft werden.
d) Tilgungsaussetzung bei Darlehen
Mit den Banken kann eine Tilgungsaussetzung vereinbart werden. Auch hier sollte beachtet werden, dass die Forderung der Bank weiterhin besteht und zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt werden muss.
e) Aufnahme neuer Darlehen
Durch die Aufnahme neuer Darlehen kann die Zahlungsunfähigkeit überwunden werden. Die Tilgung muss allerdings in der nachfolgenden Liquiditätsplanung berücksichtigt werden.
f) Umschuldung von Darlehen
Kurzfristigere Darlehen mit hohen Tilgungsraten können in langfristige Darlehen mit niedrigeren Tilgungsraten umgewandelt werden. Somit wird die aktuelle wirtschaftliche Situation entspannt.
g) Neukalkulation der Verkaufspreise
Sofern eine kurzfristige Umsetzung und damit verbundene Schaffung neuer Liquidität möglich ist, sollten die Verkaufspreise neu kalkuliert werden, um entweder eine höhere Gewinnspanne zu erzielen und neue Liquidität zu generieren oder durch Sonderaktionen den Warenumschlag zu erhöhen und damit frisches Geld in die Kasse zu bekommen.
4. Wenn alles nichts mehr hilft – Insolvenzantrag
Wird die Zahlungsunfähigkeit festgestellt und ist eine Überwindung der Zahlungsunfähigkeit nicht mehr möglich, sollte sehr kurzfristig geprüft werden, zu welchem Zeitpunkt konkret die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, um rechtzeitig einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen.
Gemäß § 15a Abs. 1 InsO ist der Insolvenzantrag spätestens drei Wochen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu stellen. Vorsorglich ist noch auf § 15a Abs. 4 InsO hinzuweisen. Wird der Insolvenzantrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig gestellt, kann dies mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages ist ferner wichtig, um eine Haftung des Geschäftsführers nach § 15b InsO zu vermeiden.
Stellen Sie fest, dass bei Ihnen Anhaltpunkte vorliegen, welche auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen und überlegen Sie, ob Sie einen Insolvenzantrag stellen müssen oder die Insolvenz noch abgewendet werden kann, sprechen Sie uns gern an. Wir prüfen gemeinsam mit Ihnen Ihre Möglichkeiten. Denken Sie bitte auch immer daran, je früher ein Insolvenzantrag gestellt wird, um so mehr Möglichkeiten bestehen, das Unternehmen z.B. durch einen Insolvenzplan zu sanieren oder durch Gewinnung neuer Investoren zu übertragen. Wir unterstützen Sie ebenfalls gern bei der Umstrukturierung, bei der Stellung des Insolvenzantrages und während des Insolvenz(antrags)verfahrens.
Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar und dient ausschließlich Informationszwecken.