Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft

Eingliederung von Personengesellschaften, Steuerbarkeit von Innenumsätzen und wirtschaftliche Eingliederung

Sie ist und bleibt spannend: Die umsatzsteuerliche Organschaft schafft es regelmäßig in die Top-15-Artikel unseres Newsletters – so auch dieses Mal. Aktuelle Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigen (wie so häufig), dass man sich nicht unbedingt immer auf „alles“ verlassen kann.
Die deutsche Regelung der umsatzsteuerlichen Organschaft ist regelmäßig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. So auch im Jahr 2023.

Ist die Organschaft europarechtskonform?

Bereits im letzten Jahr hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) gleich zweimal zu der Frage zu entscheiden, ob das deutsche Konstrukt der umsatzsteuerlichen Organschaft mit der europäischen Regelung konform ist. Im Ergebnis hat der EuGH dies bestätigt. Jedoch hat er in seinen Urteilen festgestellt, dass die deutsche Regelung nicht vollumfänglich Bestand hat. Unter anderem stellte der EuGH fest, dass für die finanzielle Eingliederung eine Stimmrechtsmehrheit zusätzlich zu einer Anteilsmehrheit nicht erforderlich ist. Darüber hinaus sei es nicht europarechtskonform, die Organgesellschaft typisierend als unselbstständig darzustellen. Der BFH hat die Auffassung zur Stimmrechtsmehrheit bereits in einem Folgeurteil übernommen. Sind die Stimmrechte 50/50 verteilt und besteht zusätzlich Anteilsmehrheit beim Organträger, kommt es nicht länger auf die Stimmrechtsmehrheit an, sofern der Organträger den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.

Sind Innenumsätze doch steuerbar?

In einer neuen EuGH-Vorlage ist aufgrund der durch den EuGH infrage gestellten Unselbstständigkeit von Organgesellschaften nun seitens des EuGH zu klären, ob Innenumsätze möglicherweise doch steuerbar sind. Dies hätte weitreichende Auswirkungen auf die bisherige Handhabung der umsatzsteuerlichen Organschaft. Zu den Ergebnissen halten wir Sie auf dem Laufenden.

Kann auch eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein?

Mit der Frage, ob eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein kann, haben sich sowohl der V. Senat als auch der XI. Senat des BFH bereits im Jahr 2015 auseinandergesetzt. In den damaligen Entscheidungen hatten dies beide Senate bejaht, wobei der V. Senat vorausgesetzt hatte, dass eine 100 %ige finanzielle Eingliederung vorliegen muss. Die Finanzverwaltung hatte sich insoweit dem V. Senat angeschlossen. Sobald also ein nicht zum Organkreis gehörender Dritter an einer Personengesellschaft beteiligt ist – und sei es auch nur mit einer Mindestbeteiligung – kann die Personengesellschaft nicht mehr Organgesellschaft sein, da die finanzielle Eingliederung nicht gegeben ist. In seinem Urteil aus 2023 gibt der V. Senat des BFH seine Sichtweise auf und bestätigt, dass eine Personenhandelsgesellschaft mit kapitalistischer Struktur auch Organgesellschaft sein kann, wenn neben dem Organträger Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft auch Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers nicht finanziell eingegliedert sind. Dabei setzt der BFH jedoch voraus, dass bei Änderung der Veranlagung der Organgesellschaft auch der Organträger einen Antrag auf Änderung stellt, sodass einheitlich von einer umsatzsteuerlichen Organschaft ausgegangen wird. Die geänderte Rechtsprechung des BFH wirft nun folgende Fragen auf: Was versteht man en détail unter einer „kapitalistischen Struktur“? Und wie wird die Verwaltung mit dieser geänderten Rechtsprechung umgehen? Gerade die Mindestbeteiligung eines „fremden Dritten“, der an einer Personengesellschaft beteiligt wurde, galt als das Gestaltungselement, um die Organschaft einer Personengesellschaft zu vermeiden. Aktuell besteht die Möglichkeit für Unternehmensgruppen, sich auf die alte Rechtsprechung und die Finanzverwaltung zu beziehen oder, sofern vorteilhaft, die Anwendung der aktuellen Rechtsprechung durchzusetzen.

Neues zur wirtschaftlichen Eingliederung

Zwei weitere Urteile behandeln die wirtschaftliche Eingliederung einer Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers. Zum einen ist es erforderlich, dass nicht nur unwesentliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen. Daran fehle es beispielsweise bei der Vermietung von ohne Weiteres austauschbaren Büroräumen. Zum anderen kann laut BFH die wirtschaftliche Eingliederung nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen. Bei einer deutlichen Ausprägung der weiteren Voraussetzungen einer Organschaft ist es unschädlich, wenn die wirtschaftliche Eingliederung nicht derart deutlich ausgeprägt und lediglich ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Organgesellschaften existent ist.

Empfehlung: Unternehmensgruppen müssen die Entwicklung der Rechtsprechung in Bezug auf die umsatzsteuerliche Organschaft verfolgen, um rechtzeitig reagieren zu können. Es empfiehlt sich, eine Kontrolle im Rahmen eines steuerlichen Kontrollsystems einzuplanen.

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