Neues zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung

Die Frage, ob bei einem Leistungsbündel mehrere Leistungen oder eine einheitliche Leistung vorliegt, spielt eine wichtige Rolle bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung eines Umsatzes. Ort der Leistung, Zeitpunkt der Leistung oder auch die Frage der Steuerbefreiung können – je nach Einordnung – erheblich abweichen. Abgrenzungsfragen sind daher regelmäßig Gegenstand der Rechtsprechung.

Lieferungen und sonstige Leistungen sind regelmäßig als eigenständige Leistung zu beurteilen. Jedoch darf ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang umsatzsteuerlich nicht künstlich in mehrere Leistungen aufgeteilt werden. Liegen Haupt- und Nebenleistung vor, teilt die Nebenleistung das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung. Als Nebenleistungen sind Leistungen anzusehen, die im Vergleich zu dieser nebensächlich sind. Bei der Beurteilung ist auf die Sicht eines durchschnittlichen Verbrauches abzustellen.

Für Unternehmer kann diese Beurteilung mitunter schwer oder in Einzelfällen unmöglich sein. Insofern kommt es in der Praxis häufig zu Streitfällen. Bundesfinanzhof (BFH) und der Europäische Gerichtshof (EuGH) haben erneut zum Thema entschieden.

Bereits berichtet haben wir über das sogenannte „Putenstall-Urteil“ des EuGH zu der Frage der Vermietung eines Gebäudes mit Betriebsvorrichtung (Ausgabe 2/2023). Danach liegt eine einheitliche und steuerfreie Vermietungsleistung vor, wenn eine Immobilie gemeinsam mit einer Betriebsvorrichtung vermietet wird, die dauerhaft eingebaut und untrennbar mit der Immobilie verbunden ist.

Auch zu der Vermietung von Betriebsvorrichtungen hatte der BFH im Falle der Vermietung einer Golf-Anlage zu urteilen. Fraglich war insbesondere, ob auch verschiedene Hauptleistungen vorliegen können, wenn neben der Vermietungsleistung noch weitere Leistungen durch den Vermieter erbracht werden. Der BFH kam zu dem Schluss, dass nur ausnahmsweise von einer einheitlichen Vermietungsleistung ausgegangen werden kann, wenn neben der Vermietung des Grundstücks und der Überlassung der Betriebsvorrichtung keine weiteren Leistungen erbracht werden.

Keine einheitliche Leistung stellt, so der BFH, die kostenpflichtige Bereitstellung von Parkplätzen bei einem Museum dar. Dagegen sei es zweifelhaft, ob die WC-Anlage eines Museums, die die Besucher kostenpflichtig nutzen können, eine Nebenleistung zur steuerfreien kulturellen Hauptleistung sein kann.

In einem weiteren Fall aus Oktober 2023 hatte der EuGH zu entscheiden, ob die Gewährung einer Abo-Prämie für den Abschluss eines
Zeitschriftenabonnements eine Nebenleistung darstellt. Im vorliegenden Fall war ein Tablet bzw. ein Smartphone als Prämie bei Abschluss eines Zeitschriftenabonnements gewährt worden. Der EuGH sah den Zweck des Tablets bzw. Smartphones insbesondere darin, die abonnierten Zeitungen digital lesen zu können. Insofern sei die Prämie in diesem Fall das Mittel, um die Hauptleistung in Anspruch zu nehmen. Damit geht der EuGH in diesem Fall von einer einheitlichen Leistung aus.

Nicht immer offensichtlich ist nicht nur die Frage, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, sondern auch, welche der Leistungen die Hauptleistung und welche die Nebenleistung ist. Wird ein Gebäude mit Betriebsvorrichtung als einheitliche Leistung vermietet, kann sich dann auch die Frage der zutreffenden Bemessungsgrundlage stellen, wenn die Vermietung beispielsweise an nahestehende Personen erfolgt.

Steht die steuerfreie Vermietung des Grundstücks im Vordergrund, ist die zutreffende Bemessungsgrundlage nach Auffassung des BFH nicht weiter zu diskutieren. Sofern jedoch die Vermietung der Betriebsvorrichtung dem Leistungsbündel das umsatzsteuerliche Gepräge gibt, ist die Leistung insgesamt umsatzsteuerpflichtig. Dann kann es notwendig sein, die zutreffende Mindestbemessungsgrundlage zu ermitteln.

Liegen jedoch getrennt zu beurteilende Leistungen vor, ist die Frage der Mindestbemessungsgrundlage nur für die steuerpflichtigen Leistungen zu beurteilen.

Empfehlung: Die Entscheidungen der Gerichte machen nochmalig deutlich, wie wichtig die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenleistung für die umsatzsteuerliche Beurteilung von Leistungsbündeln ist. Um Risiken zu vermeiden, müssen Unternehmer die von der Rechtsprechung und Finanzverwaltung entwickelten Grundsätze zur Beurteilung heranziehen. An verlässlichen Kriterien fehlt es in der Praxis leider häufig, sodass auch künftig mit weiteren Urteilen in diesem Bereich zu rechnen ist.

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